Der Bulli und seine Reparaturen

Hier mal ein kleines Datenblatt über Fred:

Fred bei der Abholung. Kaputtes Getriebe, keine Zulassung -> Anhänger

Fred ist ein VW Transporter T4, also der erste mit Frontmotor und Frontantrieb.
Unser Exemplar stammt vom Berliner Grünflächenamt Neukölln und wurde vermutlich 2018 berentet.
Wir haben ihn dann über einen Zwischenhändler Anfang 2019 gekauft.

Daten:
- Erste Hand
- Garagenwagen, kaum Rost
- Baujahr 10/2000
- 191.500km beim Kauf
- 75kW / 102PS 5 Zylinder TDI
- Automatikgetriebe AG4
- Nachgerüsteter DPF: Innenstadt-tauglich
- Ausstattung "Kombi"
- Kurzer Radstand
- Kurzer Vorderwagen

Vor dem Kauf

Probefahren konnten wir ihn leider nur auf dem Hof des Verkäufers.
Da wir vorher noch nie einen Automatik T4 gefahren waren, und das ja eigentlich auch ziemlich selten ist, erkannten wir nicht, dass das Getriebe im Notlauf war.
Aber selbst wenn wir das gewusst hätten, hätten wir ihn trotzdem gekauft - der restliche Zustand war (ist!) einfach wirklich gut und der Preis stimmte.
Wir blätterten also 4300€ hin und ließen ihn zunächst auf dem Hof stehen, da wir keine Zulassung hatten.
Später, auch aufgrund verschwundener Papiere und damit einhergehenden Problemen mit der Zulassungsstelle, holten wir ihn per Anhänger ab.

Ein Bekannter war so freundlich, uns seinen Ford Kuga zur Verfügung zu stellen

Nachdem das Zulassungsproblem geklärt war, konnte Fred auf eine kleine Werkstattrundreise durch Berlin gehen, um die vielen kleinen Elektronikmängel sowie den Getriebenotlauf zu beheben. Das war eine schöne Odyssey, bis wir schließlich jemand fähiges fanden: "Automatikgetriebe Sokatschev" in Berlin-Pankow. Uff. Aber der konnte, im Gegensatz zum offiziellen Bosch Elektrik Service, das Problem finden und beheben: Im Kabelbaum war ein Kurzschluss und dieser hatte das Getriebesteuergerät frittiert. Der Kabelbaum wurde also mit etwas neuem Kabel und Lötzinn repariert und anschließend ein neues altes Steuergerät eingebaut - und zack schaltete das Teil wieder wie am 1. Tag.
Da fiel uns echt ein Stein vom Herzen, weil wir zuvor von einigen prophezeit bekamen, dass das Getriebe ansich defekt sei und komplett überholt werden müsse, und dafür wohl round-about 2500€ fällig würden. Dafür kann man sich schon fast auf Schaltgetriebe umbauen lassen...
So sind wir aber mit nur 700€ äußerst glimpflich davongekommen. Und was soll man sagen: es fährt und schaltet nach wie vor. Nur die Wandlerkupplung will manchmal nicht mehr so wie wir wollen...

Vor der ersten Reise 2019 nochmal Ölwechsel in einer Selbsthilfewerkstatt in Potsdam mit Rainers Hilfe

Ab hier sei auf das Build-Log des ersten Ausbaus verwiesen,
Sowie unsere England Reise 2019

Dennoch gab es im Lauf der Zeit weitere Notwendige Reparaturen:
Noch während der Fahrt Richtung Calais riss bei einem starken Regenschauer die Windschutzscheibe unten links.
Wir mussten uns dann in England mit Gorilla Tape behelfen.
Außerdem zerbrach der rechte Scheinwerfer Halter, hier kam also auch erstmal nur Tape zum Einsatz.
Weiterhin zerbröselten auf dieser Reise die Innereien des linken Türgriffs-  man konnte also nur noch von rechts einsteigen oder sich von innen öffnen lassen.
Diesen Mangel konnte ein findiger englischer Mechaniker mit dem richtigen Werkzeug und einer einfachen Schraube als Dreh und Angelpunkt, nachhaltig beheben.

Zurück in Berlin konnten wir uns dann, nachdem die Scheibe an einer weiteren Stelle riss, um eine Neue inkl. Neulackieren des Rahmens kümmern. Auch der Scheinwerfer bekam neue Halterungen spendiert, sodass Fred nicht mehr schielen musste.
Weitere Reparaturen waren u.a. frische Bremsen vorne, laienhafte Rostbeseitigung in den Radkästen, frische Reifen, ein neues Lenkgetriebe.

Genug repariert, die nächste Reise steht an ... Ach nee, doch nicht. Corona. Also ein Jahr Pause.
Dann, im August 2021, ließen wir es uns aber nicht nochmal nehmen und beschlossen, statt nach Spanien nach Skandinavien zu fahren. Aus dem Witz, man könnte ja mal in 3 Wochen bis zum Nordkapp fahren, wurde dann Wirklichkeit.
Aber lest das lieber hier, detailliert mit Eindrücken rund um Schweden und Norwegen! Wir haben auf dieser Reise >6000km abgespult.

Fred hat das auch wunderbar mitgemacht, bis auf einige Momente, in denen das Motorsteuergerät den Ladedruck wegnahm und einen Fehler warf. Wo das genau herkam, wollten wir erst prüfen, wenn wir wieder in Berlin waren, also löschten wir immer nur den Fehler und dann gings meistens auch den ganzen Tag ohne Probleme weiter.

Ich habe dann mal den ganzen Ansaugtrakt auseinandergenommen und mithilfe des wirklich wertvollen T4 Wikis alle relevanten Stellen unter die Lupe genommen und konnte auch was finden:
Die Schelle, die den Turboausgang mit dem Schlauch zum Ladeluftkühler verbindet und verschließt, war zu schwach und undicht geworden. Ich habe sie dann gegen eine einfache Schraubschelle ersetzt. Weiterhin war die Zuleitung zum Turbo (Hartplastik und bei VW ersatzlos entfallen) nicht mehr rund, sondern oval und entsprechend auch nicht mehr dicht. Auch hier konnte eine Schraubschelle Abhilfe schaffen.

Undichter Schlauch hinter dem Turbo
Verölter Turbo. Das Öl lief oben am Ausgang raus und dann runter, bis es auf den Krümmer tropfte und dort natürlich fies verbrannte.

Der Turbo ansich hat keinerlei Spiel und sieht laut Forenaussagen top aus. Ich drücke mal die Daumen dass das so bleibt ;)

Das entfallene Hartplastikteil. die rechte Seite sitzt am Turbo und vergrößert sich über die Zeit um einige Millimeter und wird so undicht

Die Druckdose, die den Ladedruck über das Wastegate regelt, hatte sich locker gerumpelt und entsprechend wackelig sah auch die Ladedruckkurve beim Auslesen aus. Die Schrauben habe ich wieder festgezogen und nun kommen auch wieder sehr stabile 0.8 bar an, mit einem leichten Überschwinger am Anfang.
In dem Zuge habe ich auch gleich das AGR und die Drosselklappe ausgebaut und gesäubert, falls sie nicht mehr richtig schließen sollten, und einen frischen Luftmassenmesser gabs auch noch. Auch wenn der alte völlig ok aussah ....
Allerdings bin ich nicht sicher, ob es das schon in Gänze gewesen sein soll. Laut Forum baut der Motor nun zwar den korrekten und sauberen Ladedruck auf, nur wohl zu spät. Da dort aber kaum einer Erfahrung mit dem Verhalten von Automatik Modellen hat, bin ich skeptisch ob das bei uns überhaupt so sein soll.
Die Fehlermeldung "Soll-Ladedruck unterschritten" ist jedenfalls seitdem nicht mehr wiedergekommen, insofern bin ich eigentlich zufrieden mit der Reparatur. Gelernt habe ich dabei einiges !


Update 23.04.2022

Die Bremsen (Klötzer wie Scheiben) an der Hinterachse mussten dringend noch vor der Fahrt nach Korsika im Mai gemacht werden. Haben wir natürlich wieder in Eigenregie gemacht - wie bei der Vorderachse auch.
Im Prinzip ganz einfach. Also Bus hochgebockt, Rad runter (180Nm auf den Radschrauben, uff...) und Bremse abgebaut. Nur am Bremssattelträger musste dann vom Nachbarn eine 18er Nuss geborgt werden und schließlich auch der Nachbar selbst, damit 2 den Bus festhalten können, während er die mit 170Nm angezogenen Schrauben des Bremssattelträgers löste. Gar nicht so einfach, wenn man keinen Schlagschrauber besitzt und die Schrauben so weit im Radkasten sitzen, dass man keinen langen Hebel an der Ratsche anbringen kann. Ein handelsüblicher Drehmomentschlüssel passt aber grade noch so rein.
Dann Bremssattel saubermachen, Zylinder zurückdrücken, alle Neuteile mit Kupferpaste an den passenden Stellen montieren und das Rad wieder drauf.
Beim Bus umdrehen: Batterie leer.
Also Die Batterie aus dem Volvo genommen und damit gestartet, Bus gedreht, und das ganze Spiel von vorne beginnen lassen.
Rad ab, Bremse auseinandernehmen, saubermachen, Zylinder zurückdrücken, Kupferpaste anbringen, wieder zusammenbauen.
Beim zweiten Durchlauf war dann alles in guten 45 Minuten erledigt, während wir für den ersten sicher 3 Stunden gebraucht hatten ...

UPDATE April 2023:
Wir haben Fred mit einem lachenden und einem weinenden Auge an meinen Kollegen Leonard verkauft, der nun an unserer Stelle mit ihm verreist.
Wir freuen uns, dass er viel Spaß mit dem T4 haben wird, und sind ein bisschen traurig, von diesem Herzensprojekt Abschied nehmen zu müssen.
Gleichzeitig liefert Ylvi natürlich Stoff für neue Träume ;)